ARCHIV: Theater im Atombunker - "Gier" von Sarah Kane
Geschrieben von AG Kunst und Kultur   
15.02.2016

Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr können wir 2016 eine weitere Aufführung von Sarah Kanes Theaterstück präsentieren. „Gier“ wird im Rahmen des Hauptsache Frei – Festivals am 29.04.2016 im Atombunker am Hauptbahnhof zu sehen sein.

 

Einen Rückblick auf die Inszenierung im vergangenen Jahr, Hintergrundinformationen zum Stück und zur Autorin, Pressestimmen zu den Aufführungen im Tiefbunker am Steintorwall und vieles mehr finden Sie auf der Internetseite http://www.gier-im-bunker.de/

 

Das Stück

Eine unfruchtbare Mutter, ein Mann, der sich in vier Sprachen nicht artikulieren kann, eine Frau, die von Ereignissen gequält wird ohne Erinnerung daran, ein Peiniger, der andere voll Zärtlichkeit missbraucht. Vier Menschen, die um ihr Leben reden, obwohl sie tot sind, gestorben an einer Überdosis Sehnsucht. Oder der Reisebericht von vier versprengten Individuen auf ihren sich kreuzenden Wegen durch die eigenen Abgründe, Verletzungen und Wünsche. Oder das Selbstgespräch eines einzelnen menschlichen Bewusstseins, zerrissen von der unmittelbaren Erfahrung von Verzweiflung, Begehren und Verlust. Gier hat keine Handlung, keine klar konturierten Charaktere. Ein theatralisches Prosa-Gedicht, das nur aus Sprache besteht, obszön und heilig zugleich, unschuldig, abgeklärt und verloren. Was sich in Kanes vorherigen Stücken als seelische Gewalt und Grausamkeit nach außen stülpt, wendet sich in Gier nach innen: Liebe als Obsession und Utopie, als bedingungslose Hingabe, Besitzanspruch und Verweigerung.

Zwei Frauen und zwei Männer. Sie sprechen von ihrer Liebe, von Hoffnung, Sehnsucht, Verlangen, Enttäuschung, Verzweiflung und Einsamkeit. Sie befinden sich an einem nicht näher definierten Ort und es bleibt zunächst offen, wer sie sind, ob sie miteinander sprechen oder jeder für sich, ob es zwischen ihnen Beziehungen gibt oder ob sie eine zufällig zusammengestellte Gruppe bilden. In einer freien, musikalischen Form entsteht nach und nach aus einzelnen Sätzen, abgerissenen Dialogen, Beschwörungen und fragmentarischen Geschichten ein Geflecht von Motiven, das die Umrisse eines biographischen Mosaiks erahnen lässt.

 

 

Die Inszenierung im Bunker

Mit dem Hinabsteigen des Publikums in die Tiefen des Bunkers beginnt gewissermaßen schon das Stück. Mit dem Betreten des Bunkers tauchen die Zuschauer direkt in den Erlebnisraum der Figuren ein, sie betreten sozusagen selbst die Bühne, und die Ankunft des Zuschauers als reales Gegenüber markiert den Punkt, an dem die Figuren zu sprechen beginnen. So rückt von Anfang an der Zuschauer mit seiner zugewandten Aufmerksamkeit in den Fokus der Figuren und bildet das Kraftfeld, auf das hin alle Aktionen ausgerichtet sind, wobei die durch die Enge des Bunkers erzwungene Nähe zwischen den Figuren und den ca. 30 Zuschauern die Grenze zwischen Bühnen- und Zuschauerraum grundsätzlich verwischt. Die Darsteller agieren nicht nur vor, sondern auch zwischen und mit den Zuschauern, die als Voyeure, Zeugen, Komplizen, Vertraute, vielleicht sogar als Leidensgenossen, dem Schauspiel der Figuren beiwohnen, in das sie selbst auf eigentümliche Weise involviert sind.

Das Durcheinander der Stimmen und die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunftsentwurf, Gedanken, Erinnerungen und Assoziationen findet einen Widerhall in den geschichtsträchtigen und zugleich geschichtslos funktionalen Bunkerwänden. Das Lightdesign als weiteres zentrales Gestaltungselement hebt psychologische Momente hervor und interpretiert die Räume des Bunkers neu – das Bedeutungsspektrum der Assoziationen ist dabei vom Gefängnis über die Psychiatrie bis hin zur Geisterbahn verlorener Seelen denkbar. Darin bewegen sich die Zuschauer durch verschiedene Stationen, gehen gemeinsam mit den Figuren auf eine Reise durch die katakombenähnlichen Gänge des Bunkers und werden gleichzeitig zu Akteuren des Abends, für die sich eine eigene Erfahrung jenseits der Geschichten der Figuren generiert.

Der gemeinsame Weg, den Figuren und Zuschauer zurücklegen, ist letztendlich die Suche nach einem Ausweg, sprichwörtlich nach dem Ausgang, der einen aus dem Bunker hinausführt, ans Licht der Sonne, zurück ins Leben. Natürlich werden die Zuschauer am Ende wieder hinaufsteigen – doch was geschieht mit den Figuren? Finden sie einen Ausweg und Ausgang, oder verbleiben sie im Fegefeuer des Bunkers, als der letzten Bastion einer radikal romantischen Utopie?

 

Das Festival

"HAUPTSACHE FREI" gibt es seit 2015. Mit geballter Energie fällt die Freie Szene Hamburgs jeweils im April kurz aber heftig in vier Spielstätten ein, macht sich geheimnisvolle Orte zu eigen und beweist, dass fern der renommierten Häuser künstlerische, ästhetische und inhaltliche Alternativen gelebt werden, die gesellschaftspolitische Diskurse und visionäre Kontroversen über das Schaffen im Bereich der Darstellenden Künste befeuern.

Weitere Informationen unter http://www.hauptsachefrei.de/

 

Termine und Anmeldung

Diese Veranstaltung fand am 29.04.2016 statt.

 

Terminübersicht Lesungen

Weitere Termine in Vorbereitung.

Terminübersicht Vorträge

Weitere Termine in Vorbereitung.

 

© by Hamburger Unterwelten e.V. - alle Rechte vorbehalten.
Rechtliche Hinweise