Auf einem abgelegenen Firmengelände im Hamburger Hafen, dem ehemaligen Werftgelände der Howaldtswerke und ganz in der Nähe des inzwischen beseitigten U-Boot-Bunkers „ELBE II“, entstand zu Begin des Zweiten Weltkrieges ein Luftschutzturm. In seiner Bauform in Hamburg einmalig, erfüllte dieser Bunker während des Krieges eine wichtige Aufgabe als Befehlsstelle des Werksluftschutzes der damals kriegswichtigen Werft. Seit Jahrzehnten ungenutzt, wird der Luftschutzbunker sehr bald der Erweiterung des modernen Containerhafens weichen müssen. Mitglieder des Hamburger Unterwelten e.V. hatten noch einmal Gelegenheit, dieses bauliche Relikt des Krieges zu erforschen und fotografisch zu dokumentieren.
Die Dokumentation des Bauwerks sollte den Ansprüchen des Denkmalschutzamtes entsprechen und so waren neben der Archivrecherche auch umfangreiche Arbeiten im Bauwerk selbst notwendig, die schließlich mehrere komplette Wochenenden in Anspruch nehmen sollten. Umgekipptes Mobiliar wurde wieder aufgestellt, Müll und Unrat beseitigt, der gröbste Schmutz entfernt. Um eine Lichtsituation dokumentieren zu können, die der Beleuchtung während des Krieges möglichst nahe kommt, wurde ein Teil der Elektroinstallation wieder instand gesetzt und mittels Generator versorgt. Der Aufwand hat sich in mehrfacher Hinsucht gelohnt – er sorgte nicht nur für realistischere Fotos, sondern vermittelte den Vereinsmitgliedern auch einen sehr guten Eindruck davon, wie bedrückend düster es im Bunker zugegangen sein mag. Begleitet wurde ein Teil der Erkundung und Dokumentation von eimen Drehteam des NDR.
Anders als bei den im Hamburger Stadtbild häufiger anzutreffenden Luftschutztürmen vom Typ „Zombeck“ handelt es sich hier um eine in Hamburg einmalige Bauform. Der Architekt hatte mit diesem Entwurf versucht, das Problem von Stauungen durch hereinströmende Schutzsuchende zu umgehen. Möglichst viele Menschen sollten in möglichst kurzer Zeit in das Schutzbauwerk gelangen können – schließlich war bei Fliegeralarm Eile angebracht. Um dies zu erreichen, erhöhte der Konstrukteur einfach die Anzahl der Eingänge, ordnete jedem Eingang ein bestimmtes Stockwerk zu und ordnete die Treppen versetzt direkt an der Innenseite der Außenwand an. Entsprechend dieser Anordnung wird diese Bauart häufig Ringtreppenturm oder auch Vieltreppenturm genannt.
Dieser turmförmige Bunker wurde sehr wahrscheinlich Anfang der 1940er Jahre errichtet, die Zeichnung datiert vom Oktober 1940. Der fünfstöckige (incl. Dachkegel sechsstöckige), 21,75m hohe Turm sollte 465 Werksangehörigen der Howaldtswerke Hamburg Schutz bei Luftangriffen bieten. Der sich nach oben hin leicht verjüngende Rundbunker mit einem unteren Außendurchmesser von 14,5m hat im schrägen Kegelbereich des Daches eine 1,4m starke Decke. Die Zwischendecken weisen einheitlich eine Stärke von 0,25m auf, die Bodenplatte besteht laut Plan aus 3cm Stahlbeton, 20cm Beton und 6cm Unterbeton. Der Turm steht auf einem 1,0m starken und 3,45m breiten Ringfundament, das laut Zeichnung auf insgesamt 98 eingerammten Pfählen gründet. Das Dach des Bauwerks ist, ebenso wie die Dächer der Zugangserker, mit Dachpappe gedeckt. Die Wandstärke von nur 0,8m (viertes Stockwerk) bis 1,10m (Turmfuß) erscheint im Vergleich zu anderen Luftschutzbauten eher schwach, diese Schwäche wird aber durch die zusätzliche Schutzwirkung der inneren Wand der Treppenhäuser gemindert. Eine Besonderheit dieses Bunkers stellt die Werksluftschutz-Befehlsstelle dar, die im Erdgeschoß untergebracht war. Hier war der runde Turminnenraum zweifach unterteilt, die drei entstandenen Räume waren mit Schiebefenstern verbunden und für Melder, die Befehlsstelle selbst und für Telefon- und Fernmeldetechnik vorgesehen. Viele Einbauten sind längst verschwunden, die Anschlusskästen der elektrischen Anlage sind noch vorhanden, ebenso die Filter- und Lüftungsanlage unter dem Dach. Hier und da mahnen Wandbeschriftungen: „Bitte Ruhe“ oder „Fragen möglichst vermeiden“ – wer da wen nicht fragen sollte, wird möglicherweise im Dunkel bleiben.
Eine ausführliche Dokumentation des Bauwerks ist in der Schriftenreihe des Hamburger Unterwelten e.V. unter dem Titel „Ringtreppenturm Rosshafen“ (Michael & Christel Grube, ISBN 978-3-8370-1750-2) erschienen und im Buchhandel und bei unseren Führungen im Tiefbunker Steintorwall erhältlich. |