Zum Abriss des Hochbunkers Eidelstedter Weg 10
Geschrieben von Michael Berndt   
08.05.2015

Der Bunker Eidelstedter Weg 10 ist der letzte noch weitgehend im Original erhaltene Hochbunker in Hamburg. Seit dem Mai 2013 steht er unter Denkmalschutz.Der Hochbunker Eidelstedter Weg 10 galt als der letzte, noch weitgehend im Originalzustand des Zweiten Weltkrieges erhaltene Hochbunker in Hamburg. Im Mai 2013 wurde er unter Denkmalschutz gestellt. Im November 2015 begann der Abriss dieses einzigarten Bauwerks.

Wie kam es dazu? Warum kann ein wichtiges, historisch wertvolles Gebäude abgerissen werden – trotz Denkmalschutz?

Und was genau war das Besondere an gerade diesem Bunker?

Etwa 80 Hochbunker sind in Hamburg bis Kriegsende gebaut worden. Einige wurden direkt nach dem Krieg beseitigt oder umgebaut, viele weitere in den folgenden Jahrzehnten. Erhalten sind heute wohl noch etwa 50. In den meisten Fällen wurden sie für eine neue Nutzung umgebaut, oft als Lagerräume, aber auch als Gewerbefläche oder als Übungsräume für Musikgruppen. Dabei wurde die nicht mehr benötigte Einrichtung und die inzwischen veraltete Technik aus den Kriegsjahren entfernt und erneuert. Fenster wurden in die Außenwände gebrochen, im Inneren wurde die Raumaufteilung geändert und an die neue Nutzung angepasst. Von der Originalsubstanz blieb dabei meistens nicht viel übrig, oft nur der nackte Beton.

Der Hochbunker am Eidelstedter Weg 10 war dabei eine große Ausnahme. Direkt nach dem Krieg wurde der Bau als Lagerraum von der britischen Militärregierung genutzt und blieb so von Holz- und Metallplünderungen verschont. Anfang der 1950er Jahre zog dann der Musikverlag Sikorski ein, der den Bunker ebenfalls als Lager nutzte - für Notenblätter. Für diesen Zweck musste an der Raumaufteilung im Bunker nicht viel verändert werden. Die Räume blieben zum größten Teil so, wie sie waren, im Zustand der 1940er Jahre. Gleiches gilt für die Technik: Die Lüftungsanlage wurde weiter betrieben und nur geringfügig verändert, die Elektroinstallation ebenso. Erst um das Jahr 2003, nach über 50 Jahren, zog Sikorski aus und nutzt heute moderne Lagerflächen an anderer Stelle. Der Hochbunker stand seitdem leer. Geblieben aber waren die seit Kriegsende kaum veränderten Räume, die noch immer funktionierende Lüftungsanlage aus dem Jahr 1941, die erhaltenen Holztüren mit den Originalbeschriftungen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit, die Gasschleusen mit Ihren Warn- und Verhaltenshinweisen, die Splitterschutztüren an den Zugängen und vieles mehr. Eine solche Fülle an originaler Substanz, Ausstattung und Technik aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges findet man heute in keinem Bunker in Hamburg mehr.

Lange Flure und viele kleine Kammern: Die originale Raumstruktur ist bis heute erhalten geblieben.  Gasschleuse  Die etwa 100 Kammern waren für 8 bis 10 Personen eingerichtet.

Die Lüftungsanlage aus dem Jahr 1941 war bis zuletzt betriebsbereit.   Lüftungsanlage  Auch die Holztüren mit den Originalbeschriftungen aus der Kriegszeit waren größtenteils noch vorhanden.

Eine Besonderheit waren auch die Wandbilder. An verschiedenen Stellen, vornehmlich in den Treppenhäusern und Gemeinschaftsräumen, wurden während der Bauzeit Wandgemälde angebracht. Die Bilder zeigen althamburger Motive, alte Berufe, Hamburger Originale und Stadtansichten. Die Darstellungen sind betont friedlich, harmlos, fast idyllisch und naiv. Heroische, kriegsverherrlichende Motive fehlen ganz, ebenso wie Durchhalteparolen und nationalsozialistische Propaganda. Offensichtlich sollten die Bilder die Menschen während der Angriffe von dem Geschehen draußen ablenken, beruhigen. In ihrer Motivwahl und Ausgestaltung stehen sie damit in krassem Kontrast zu dem Bauwerk an sich und zu seinem Zweck. Dargestellt sind Motive, die man als Hamburger kennt, die Vertrautheit und Frieden, "die gute alte Zeit" symbolisieren. Dass die Wirklichkeit außerhalb des Bunkers spätestens ab dem Sommer 1943 ganz anders aussah, ist ein Aspekt, der die Bedeutung dieser Bilder in ihrem historischen Kontext unterstreicht. Nicht zuletzt wegen dieser Wandbilder wurde der Bunker 2013 unter Denkmalschutz gestellt.

Derartige Wandbilder sind aus verschiedenen Bunkern und Schutzräumen bekannt. Am Eidelstedter Weg 10 stand allerdings der letzte Hochbunker in Hamburg, in dem diese Bilder noch erhalten waren. Alle Bilder in anderen Bunkern waren schon durch Umbauten oder Abriss der Bauwerke verloren gegangen.

Original erhaltenes Treppenhaus mit Wandbildern und den ursprünglichen Holzhandläufen.  Wandbild im östlichen Treppenhaus  Wandbild im östlichen Treppenhaus

Im April 2014 wurde erstmals über Pläne zum Abriss des Hochbunkers Eidelstedter Weg 10 berichtet. Im Laufe des Jahres wurden diese Überlegungen immer konkreter. Hintergrund ist eine geplante Erweiterung des direkt angrenzenden Werksgeländes des Beiersdorfkonzerns. Beiersdorf will allerdings nicht das Gelände des Bunkers selbst nutzen, sondern die Fläche eines unmittelbar benachbarten Spielplatzes. Mit dem Argument, dass der Bezirk Eimsbüttel ohnehin ein Defizit an Spiel- und Freizeitflächen habe, forderte die Bezirksverwaltung den Abriss des Bunkers, um auf dessen Fläche einen neuen Spielplatz anlegen zu können. Der Aspekt des Denkmalschutzes sollte dabei zurücktreten.

Um diesen Spielplatz verlagern zu können, soll der Bunker weichen. Der im Hintergrund erkennbare Bunker Quickbornstraße wird ebenfalls für die Werkserweiterung abgebrochen.

Die Kulturbehörde und das Denkmalschutzamt haben sich vehement gegen diese Pläne gewehrt. Dennoch hat der Hamburgische Senat im Sommer 2014 entschieden, dass der Bunker trotz bestehenden Denkmalschutzes abgerissen werden darf. Der Bunker befindet sich nach wie vor im Eigentum der Stadt Hamburg. Und obwohl das Hamburgische Denkmalschutzgesetz die Stadt zur Erhaltung und Pflege der stadteigenen Denkmale in besonderer Weise verpflichtet, wurde das Denkmalschutzamt angewiesen, dem Abbruchantrag zuzustimmen. Diese Entscheidung wurde ohne Beteiligung der politischen Gremien gefasst. Weder die Hamburgische Bürgerschaft, noch die Bezirksversammlung Eimsbüttel wurden in den Entscheidungsprozess eingebunden.

Von Bekanntwerden der Abrisspläne an hat sich der Verein Hamburger Unterwelten im Rahmen seiner Möglichkeiten vehement für den Erhalt dieses einzigartigen Denkmals eingesetzt. Gemeinsam mit anderen Institutionen wie z.B. dem Verein Freunde der Denkmalpflege, haben wir versucht, mit dem Bezirksamt, der Firma Beiersdorf und den politischen Parteien eine Diskussion über den möglichen Erhalt des Bunkers zu führen. Wir haben verschiedene Vorschläge und Konzepte vorgelegt, die die Interessen des Denkmalschutzes mit denen der Firma Beiersdorf und des Bezirkes in Einklang bringen könnten.

Denn diese verschiedenen Interessen widersprechen sich nicht zwangsläufig! Es wäre durchaus möglich gewesen, das Werksgelände wie geplant zu erweitern, den Spielplatz zu verlagern und den Bunker dennoch zu erhalten. Möglich gewesen wäre Vieles. Trotzdem wurde an den Abrissplänen festgehalten und über den Erhalt des Bunkers nicht ernsthaft nachgedacht. Alle unsere Bemühungen waren vergebens. Den Abriss konnten wir nicht verhindern.

Eines der vorgeschlagenen Konzepte sah die Einrichtung eines Stadtteilkulturzentrums vor, mit Proberäumen für junge Bands, einem Bücher-Café und einer Kletterwand an der Außenseite.

Wenigstens wurden vor dem Abbruch einige historisch wertvolle Teile der technischen Ausrüstung demontiert und so gerettet, auch durch Hilfe unseres Vereins. Außerdem wurden die Wandbilder in einem aufwändigen Verfahren von den Wänden gelöst Sie werden zurzeit restauriert und sollen später an anderer Stelle öffentlich ausgestellt werden. Es ist zu wünschen, dass hierfür ein ähnlicher und passender Ort, möglichst ein anderer Hochbunker, gefunden wird, damit die Bilder nicht völlig aus ihrem historischen Kontext gerissen werden und so ihre Aussagekraft verloren geht.

Ein Wandbild im Erdgeschoss wird vom Untergrund gelöst  Ein abgenommenes Wandbild vor der Restaurierung

Mit dem Hochbunker am Eidelstedter Weg 10 verliert Hamburg ein einzigartiges Denkmal, das wie kein anderes Bauwerk an das wohl dunkelste Kapitel in der Geschichte unserer Stadt erinnert. Hamburg verliert den letzten authentischen Ort, der an die Schrecken des Luftkrieges, das Leiden der Zivilbevölkerung, aber auch an die Kriegspolitik und Schreckensherschafft der Nationalsozialisten erinnert. Politik und Verwaltung im Bezirk Eimsbüttel lässt dies weitgehend unbeeindruckt.

Der eingerüstete Bunker Ende November 2015 kurz vor Beginn des Abrisses.

Einen Überblick und zu unseren Veranstaltungen, die wir in den letzten Jahren im Hochbunker Eidelstedter Weg anbieten konnten, finden Sie HIER

Über die Abrisspläne wurde mehrfach in den regionalen und überregionalen Medien berichtet. Zwei Beispiele:

Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 11. August 2014 über die Abrisspläne, den Artikel finden Sie HIER

In der taz erschien am 07. September 2014 ein ausführlicher Artikel

 

 
 

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