Exkursion nach Kummersdorf
Geschrieben von Michael Fülleborn   
03.02.2016

Die Hauptwache war unser erster Eindruck von dem ArealIm Verein Hamburger Unterwelten e.V. hat es sich zur Tradition entwickelt, jährlich eine Exkursion zu unternehmen. Dieses Mal war das Gelände der früheren Heeresversuchsanstalt Kummersdorf südlich von Berlin in den Brandenburger Wäldern das Ziel.

Bereits um 05.00 ging es vor unserem Bunker im Steintorwall los. Unser Bus kam pünktlich. Um nicht ganz so früh aufstehen zu müssen, haben einige Leute im Bunker übernachtet und sind am Abend vor der Tour gemeinsam zum Essen gegangen.

Während des Sonnenaufgangs fuhren wir nach Berlin. Wer dabei nicht allzu fest geschlafen hat, konnte schöne Blicke auf die Landschaft Mecklenburgs mit herbstlichem Frühnebel genießen. An zwei Treffpunkten in Berlin haben wir Kollegen von dem Berliner Unterwelten e.V. (BUeV) abgeholt, um dann gemeinsam zum Treffpunkt mit unseren Referenten, der Hauptwache, weiterzufahren. Dort gab es erst einmal einen rustikalen Imbiss für alle Teilnehmer.

Das Areal der Heeresversuchsstelle hat eine Größe von mehr als 2.000 Hektar. Ab 1875 wurde von der Eisenbahnstrecke Berlin - Dresden im Bereich Zossen eine Militärstrecke abgezweigt. Da ein bisheriger Schießplatz im Bereich Tegel der Artillerieprüfungskommission aus verschiedenen Gründen nicht mehr genügte, wurde hier ein neuer und deutlich größerer Schießplatz mit zwei Bahnen eingerichtet. Alle weiteren Anlagen und die Infrastruktur kamen schrittweise hinzu.

Heute steht das Gebiet unter Denkmalschutz und wird vom Förderverein Historisch-Technisches Museum Versuchsstelle Kummersdorf e.V. (FMVK e.V.) der Öffentlichkeit zusammen mit den Informationen über die Historie zugänglich gemacht. Das Betreten ohne Be-gleitung ist unter anderem aufgrund umfangreicher noch immer im Gebiet befindlicher Munition - nicht zu Unrecht - untersagt. Der FMVK e.V. hat auch unsere Tour arrangiert.

Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein im Verhältnis zur gesamten Größe des Areals kleiner Teil im Bereich des Ortes Horstwalde heute von der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) für zivile Fortentwicklungen der Sicherheitstechnik genutzt wird. Diesen Bereich konnten wir jedoch nicht besichtigen.

Aufgrund der Größe des Areals haben wir lediglich einige Strecken zu Fuß zurück gelegt und sind weitere Etappen mit unserem Bus gefahren.

Zunächst haben wir den Bereich, der nach dem zweiten Weltkrieg bis zur Wiedervereinigung von den Russen als Kaserne genutzt wurde, zu Fuß besichtigt. Die Gebäude haben die Russen in nutzbarem Zustand hinterlassen. Jetzt befinden sie sich so weit im Verfall, so dass es sich nach ungefähr 25 Jahren um Ruinen handelt. Dabei wird die Natur vom Vandalismus unterstützt, denn gelegentlich kommt es in einzelnen Gebäuden zu Brandstiftungen.

Der Verfall der Bausubstanz ist nicht zu übersehen 

Dann haben wir das Gebiet der Eisenbahnpioniere am Schumkasee besichtigt. Sie haben dort nicht nur geübt, sondern auch Erprobungen von neuen Entwicklungen getestet. Die Eisenbahnen hatten während beider Weltkriege eine besondere logistische Bedeutung, denn der Straßentransport war noch nicht so weit fortentwickelt wie heute und die Beförderung per Luftfracht kam auch im zweiten Weltkrieg kaum in Betracht. Deswegen mussten die Eisenbahnpioniere nicht nur Stecken zur Sicherstellung des Nachschubs in kurzer Zeit bauen, sondern bei Rückzügen auch zerstören können, um sie für den Feind unbrauchbar zu machen. Eine besondere Bedeutung hatte der Bau von Brücken. Das ist an den Resten von Pfeilern im Übungsgelände heute noch erkennbar.

Die Natur holt sich das Übungsgelände der Eisenbahnpioniere zurück 

Die nächste Station war die Modellbauhalle. Dabei ging es nicht um verkleinerte Darstellungen einzelner Gegenstände und Geräte, sondern um Nachbauten im Maßstab 1 : 1. An den gefertigten Modellen sollten realitätsnahe Übungen und Tests durchgeführt werden. Die Ausmaße der Modellbauhalle lassen Rückschlüsse auf einen erheblichen Aufwand zu, der getrieben wurde. Auch hier ist der Verfall unübersehbar.

In der Modellbauhalle wurden Geräte im Maßstab 1 : 1 nachgebaut 

Die Weiterfahrt führte uns zum Flugplatz Sperenberg, der 1957 gebaut wurde. Die Start- und Landebahn sowie die Rollbahn haben wir vom Bus aus besichtigt. Auf der Start- und Landebahn wurde der Humor unseres Fahrers besonders deutlich, denn er beschleunigte möglichst rasant, um uns das Gefühl zu vermitteln, in einem startenden Flugzeug zu sitzen. Obwohl der Flugplatz Sperenberg nach dem zweiten Weltkrieg als Militärflugplatz gebaut wurde, wurde eine zivile Nutzung offen gehalten. In geringem Umfang kam es auch dazu. Unter anderem hat Erich Honecker über diesen Flugplatz das Land verlassen. Aber auch bei diesen Anlagen handelt es sich letztlich nur noch um Ruinen.

Nach diesen besonderen Eindrücken war eine Pause mit einer Stärkung fällig. Dazu fuhren wir zum Hangar des Flugplatzes. Hier hatten unsere Gastgeber bereits Tische und Bänke aufgebaut. Es gab eine Erbsensuppe mit Wursteinlage aus einer „Gulaschkanone“. Sie schmeckte nicht nur gut, sondern war auch bestens sättigend. Bei dieser Pause bestand die Gelegenheit, sich ein wenig auszuruhen oder das Gespräch - auch mit den Berliner Kollegen - zu suchen.

Hangar des Flugplatzes Sperenberg. Die Größe ist durch unseren davor stehenden Reisebus einschätzbar 

Nach der Pause gab es eine Diskussion, ob wir noch etwas besichtigen oder heimreisen sollten. Die demokratische Abstimmung ergab, dass wir die Gelegenheit nutzen sollten, noch mehr zu sehen. Auch unsere beiden Busfahrer waren mit einer Verlängerung der Tour einverstanden.

So fuhren wir zu den Raketenprüfständen im Bereich Gottow. Hier hat auch Wernher von Braun die ersten Versuchen mit Flüssigkeitsraketentriebwerken gemacht, bevor er sie im Rahmen der weiteren Entwicklung mit seiner Arbeitsgruppe im Bereich von Peenemünde fortgesetzt hat. In dieser Region sind auch erste Entwicklungsarbeiten an Nuklearwaffen begonnen worden. Am Ende des zweiten Weltkriegs haben die Deutschen beim Rückzug Sprengungen vorgenommen, um Nutzungen durch den Feind zu verhindern. Die Natur setzt diese Arbeit fort. Die Bauten befinden sich ebenfalls im Stadium des Verfalls.

Für die Entwicklung von Raketen wurden umfangreiche Bauten errichtet

Während unserer Heimreise haben wir die Berliner Kollegen wieder an den morgendlichen Treffpunkten abgesetzt.

Wir haben interessante Einblicke in die erschreckenden Ausmaße der Industrialisierung der Entwicklung von Waffen in der Zeit vom Kaiserreich bis zum Ende des Nationalsozialismus - insbesondere von Vernichtungswaffen - gewonnen. Das ist ein Ansporn, sich sich für den Frieden einzusetzen, damit sich so etwas nie wiederholt. Gerade in der heutigen Zeit müssen wir sehen, dass Frieden alles andere als selbstverständlich ist und für die betroffenen Menschen erhebliches Elend mit sich bringt. Auch Europa ist durch die vielen Flüchtlinge, die zu uns kommen, von den derzeitigen Kriegen indirekt betroffen.

Bei unserer Heimkehr am Steintorwall waren alle erkennbar müde. Aber für die hoch interessanten Eindrücke hat sich die Anstrengung gelohnt!

 
 

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