HERA – bei diesem Namen denkt man sicher eher an die Gattin des Gottes Zeus aus der griechischen Mythologie und weniger an die Stadt Hamburg, deren Untergrund oder gar an Hochtechnologie. Und doch treffen auch all diese Zusammenhänge auf den Namen HERA zu – die Abkürzung steht für die Hadron-Elektron-Ring-Anlage des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY in Hamburg-Altona. Anfang August 2008 hatten Mitglieder des Hamburger Unterwelten e.V. die seltene Gelegenheit, einen erkundenden Blick in diesen wichtigen Teil der unterirdischen Welt der Hansestadt zu werfen.
Zwischen 1984 und 1990 entstanden unter dem Altonaer Volkspark ein 6,3km langer Ringtunnel, vier rund fünfundzwanzig Meter tiefe Experimentierhallen und zwei Verbindungstunnel zu den bereits bestehenden, kleineren Anlagen PETRA und DESY. Der HERA-Speicherring bei DESY in Hamburg ist weltweit die einzige Beschleunigeranlage dieser Größe, die mitten in einer Großstadt, teilweise sogar unter Wohn- und Gewerbebauten, betrieben wird. Selbst unter dem großen Fußballstadion im Volkspark läuft der Tunnel hindurch. Direkt neben der Bahrenfelder Trabrennbahn, sozusagen gleich hinter den Stallungen, liegt die HERA-Halle Süd, ein acht Etagen tiefer, von Büro- und Technikräumen umgebener Schacht, an dessen Sohle sich eine25 x 43m große Experimentierhalle anschließt. Entlang des Rings entstanden in gleicher Bauweise drei weitere solche Hallen. An dieser Stelle wurde bei Baubeginn nach einer Grundwasser-Absenkung auch die lasergesteuerte Tunnelbohrmaschine HERAKLES eingebracht, die den HERA-Tunnel dann im Schildvortrieb in 10 bis 25 Meter Teufe durch die Erde „bohrte“ – teilweise bis in das Grundwasser. Vom Schneidrad am Kopf der Maschine abgetragener Sand und Steine wurden mit Tonschlamm vermischt und an die Oberfläche gepumpt, hier wurden Sand und Steine wieder vom Transportmedium getrennt. Der entstandene Tunnel wurde direkt hinter der Maschine mit Betontübbingen ausgekleidet, Gummidichtungen zwischen den Segmenten sorgen dafür, dass kein Wasser eindringen kann.
Nach rund 180.000 Kubikmetern Erdreich und genau 28 Monaten schloss sich der Ring am 19. August 1987, die Tunnelbohrmaschine durchbrach die Wand zur HERA-Halle Süd mit einer Abweichung von nur zwei Zentimetern. Beeinträchtigungen für die Anwohner gab es während der Bauarbeiten nicht, hier und da ist vielleicht mal ein dumpfes Geräusch an die Oberfläche gelangt, Schäden an Gebäuden entstanden nicht. Nach Fertigstellung fand in der Halle Süd, in der alles begonnen hatte, der Teilchendetektor ZEUS seinen Platz – wie man merkt, sind die griechischen Gottheiten hier namentlich doch allgegenwärtig.
Sobald ein Abschnitt zwischen zwei Hallen fertig gestellt war, begann umgehend die Installation der notwendigen Infrastruktur wie Wasser- und Stromleitungen, Beleuchtung und Klimatechnik, Kabel und Rohre, Verteilerkästen, Telefone, Lautsprecher, Notfall-Anlagen und Magnethalterungen, Magnete und Sensoren – tausende und abertausende von Teilen waren zu installieren. Nur ein Jahr nach Fertigstellung des Tunnels waren im Sommer 1988 auch diese Arbeiten beendet und die Anlage konnte erstmalig in Betrieb genommen werden. Nun folgte der nächste Schritt – der Aufbau des Protonenbeschleunigers. Rund 650 supraleitende Magnete und eine aufwendige Helium-Kühlung wurden oberhalb des Elektronenrings installiert. Am 19. September 1990 war auch der letzte Magnet der Protronenanlage montiert, so dass am 8. November die Fertigstellung und Inbetriebnahme des Speicherrings gefeiert werden konnte. In der Nacht vom 14. zum 15. April 1991 gelang es erstmals, im HERA-Ring Protonen zu speichern. Am 19. Oktober 1991 ermöglichte HERA die ersten Elektron-Proton-Zusammenstöße.
Von nun an wurden auch in HERA rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche Experimente durchgeführt und Daten gesammelt. Im Jahr 2007 stellte DESY den betrieb der Anlage ein, die Auswertung der gesammelten Daten wird die Wissenschaftler noch für Jahre beschäftigen. In der Zukunft wird der HERA-Tunnel mit Sicherheit für weitere, neue Experimente genutzt werden. Bis dahin liegt er als Baustelle für die Wissenschaft brach. Nach einer ausführlichen Einführung am Beschleunigerkontrollraum (BKR), bei der die Vereinsmitglieder sich einen Überblick über DESY und die hier durchgeführten Forschungen verschafften, ging es zur außerhalb des Geländes gelegenen HERA-Halle Nord. Sieben Stockwerke unter der Erde wurden wir zunächst von der Größe der riesigen, mehrstöckigen Halle beeindruckt, bevor die Gruppe dann schließlich auch einen Abschnitt des eigentlichen Tunnels besichtigen konnte. Eine solche Gelegenheit, einen Blick unter die Erde und gleichzeitig in die faszinierende Welt der Teilchenphysik zu werfen, eröffnet sich nur selten. An dieser Stelle unser herzlicher Dank hierfür. |