Versteckt zwischen Mehrfamilienhäusern und einer Schule steht an der Carlebachstraße in einem Wohngebiet im Hamburger Stadtteil Altona-Altstadt ein beinahe vergessener Hochbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Anfang Oktober 2008 hatten Mitglieder des Vereins Hamburger Unterwelten e.V. mit freundlicher Genehmigung des Eigentümers die seltene Gelegenheit, das Innere dieses bereits jahrelang vermauerten Bauwerks zu erkunden und ausführlich zu dokumentieren.
Der Bunker wurde zwischen dem 12.12.1940 (Beginn der Erdarbeiten) und dem 2.12.1941 (vorläufige Inbenutzungnahme) nach den baulichen Bestimmungen von Oktober 1940 errichtet. Laut vorliegender Unterlagen soll dieser Bunker während des Zweiten Weltkrieges über 715 Liege- und 158 Sitzplätze, wahrscheinlich vor allem für die Anwohner der Umgebung, verfügt haben. Die Außenwände sind 1,10m und die Abschlussdecke 1,40m stark, die Grundfläche liegt bei 18m x 20m, die Höhe etwas über 20m. Der achtstöckige Luftschutzbunker (sieben Geschosse und ein dreiviertelhohes Untergeschoss) steht auf drei Seiten frei und berührt mit einer Wand das direkt anschließende, etwa gleich hohe Wohngebäude. Wie fast jeder Bunker verfügt auch dieser über zwei, an gegenüberliegenden Seiten liegende Eingänge. Beide sind, wie vorherige Erkundigungen ergaben, vermutlich vor etwa zwanzig Jahren zugemauert worden.
Äußerlich auffallend sind deutlich sichtbare Reste (rechteckige Flächen) des früheren rotbraunen und schwarzen Tarnanstriches. Während bei vielen Bunkern mehrere, um den Bunker herumreichende und hervorstehende Betonstreifen als Simse zur Abstützung einer ursprünglich wohl geplanten Verkleidung der Außenwände vorhanden sind, sind sie hier regelmäßig unterbrochen. Auf den ersten Blick wirken sie beinahe wie Fenstersimse.
Nach der Herstellung eines Mauerdurchbruchs gelangten die Vereinsmitglieder in den Splitterfang. Die eigentliche, ursprüngliche Eingangstür des Bauwerks, eine doppelflügelige, splittersichere Eisentür, stand erfreulicherweise bereits offen. Daran schloss sich die Gasschleuse mit den üblichen Gasschutztüren aus Eisenblech an. Der Erkundung und Dokumentation stand somit nichts mehr im Wege und die Arbeit konnte – ausgestattet mit entsprechender Ausrüstung und Licht – in dem gut durchlüfteten Bunker beginnen.
Der Bunker wurde beinahe wie ein modernes Bürogebäude konstruiert: In der Mitte der betonierte Kern mit zwei Treppenhäusern, wobei eine der Treppen überraschenderweise mit hölzernen, auf einem Metallrahmen befestigten Stufen aufgebaut war, während die andere, wie sonst üblich, aus Beton besteht.. Vier Reihen von jeweils vier, ca. 40 x 40 cm starken Pfeilern reichen von der Grundplatte des Bunkers bis zur Abschlussdecke, wobei die vier mittleren Pfeiler in die Treppenhauswände integriert sind.
Durch hölzerne Leichtbauwände zwischen Pfeilern und Wänden entstanden in den oberen sechs Geschossen je ca. 24 Räume, von denen 22 wahrscheinlich als Sitz-, Liege- und Aufenthaltsräume Verwendung gefunden haben dürften. In jeweils vier Räumen waren Waschbecken, zwei WC und ein Not- (Trocken-)Abort untergebracht. Während die Waschbecken und die hölzernen Notaborte fast durchweg komplett erhalten sind, wurden die Porzellan-Toilettenbecken offenbar irgendwann in der Vergangenheit von Vandalen zerschlagen. Sehr gut erhalten ist dagegen ein großer hölzerner, mit Blech ausgekleideter Wasser-Vorratsbehälter im obersten Stockwerk.
Nach dem Krieg wurde der Bunker jahrelang von der Sozialverwaltung für Wohnzwecke genutzt, dabei wurde er weiterhin über die Belüftungsanlage aus der Kriegszeit belüftet. Diese Anlage macht auch heute noch einen guten, wenn auch rostigen, äußerlichen Eindruck. Erstaunlicherweise sind sogar die Elektromotoren noch vorhanden.
Tapetenreste in vielen Räumen zeugen noch heute von der damaligen Wohnnutzung. Als Untergrund für die Tapeten verwendete man früher vielfach Zeitungspapier und so fanden sich auch in diesem Bunker solche Zeitungen mit den Jahreszahlen 1953, 1956 und 1957. Auf den Tapeten waren die elektrischen Installationen verlegt (je Wohnraum eine Deckenleuchte, ein Lichtschalter und eine Steckdose, die über eine separate Sicherung im Flur abgesichert war. Kochstellen waren schon während des Krieges in den Ecken jedes Stockwerks neben den Lüftungskanälen eingerichtet worden, die entsprechenden Beschriftungen sind zum Teil noch heute erhalten.
In der westlichen Schleuse wurde, wahrscheinlich ebenfalls von der Sozialverwaltung, ein Mauerdurchbruch hergestellt und mit einem Fenster versehen, wie es für Pförtner- bzw. Empfangslogen üblich ist. Im dahinter liegenden Raum fanden sich auf stark verwitterten Zetteln an der Tür Hinweise auf „Betreuer“, „Lagerleiter“ und eine „Schwester Ella“.
Ungefähr 1960 muss der Bunker von den Mietern geräumt worden sein, in einigen Räumen haben sich später scheinbar Musikgruppen eingerichtet. Kalenderblätter mit den Jahreszahlen 1979 bis 1983 und an Wände und Decken gemalte Musikinstrumente und Noten weisen auf diese Nachnutzung hin.
Inzwischen sind viele sanitäre Einrichtungen, Lichtschalter, Steckdosen usw. zerschlagen. Die hölzernen Leichtbauwände sind teilweise und wahrscheinlich mutwillig zerstört und Türen herausgerissen worden. Trotz des Vandalismus macht der Bunker baulich einen ordentlichen Eindruck und ist völlig trocken. Lediglich im Untergeschoss (Deckenhöhe nur ca. 1,60m) steht das Wasser 20cm, in einem weiteren Kellerteil etwa 40cm hoch. Im sechsten Geschoss lässt eine weitreichende, starke Schwärzung der Decke und oberen Wandbereiche darauf schließen, dass es in diesem Stockwerk einmal einen Brand mit sehr starker Rauch- bzw. Rußentwicklung gegeben haben muss. Bemerkenswert ist der Fund einer schwer beschädigten Informationstafel im siebten Geschoss („Bombensicheres Luftschutzhaus Lammstr.“). Ein weiteres Fundstück gab zunächst Rätsel auf: In einer ansonsten leeren Kellnergeldbörse wurde im Bunker eine Tankkarte gefunden. Recherchen ergaben, dass diese Karte zum letzten Mal im August 2006 benutzt und kurz darauf als verloren oder gestohlen gesperrt wurde. Wahrscheinlich haben Taschendiebe die Geldbörse durch eine Lüftungsöffnung in den Bunker geworfen. Nach Abschluss der umfangreichen Film- und Fotodokumentation des Inneren wurde das Bauwerk wieder fachmännisch und sicher vermauert. Damit fällt der Bunker wieder auf unbestimmte Zeit in seinem Dornröschenschlaf – dieser kann Jahrzehnte dauern, denn Bauwerk und Grundstück sind wirtschaftlich kaum nutzbar, ein Abriß sicherlich nicht problemlos möglich. |