Vor allem an den Stränden Dänemarks und Frankreichs fallen die grauen Ungetüme auf, die Bunker des so genannten „Atlantikwalls“ und werden von interessierten Urlaubern untersucht, als überdimensionaler Windschutz verwendet oder gar als „stilles Örtchen“ genutzt. Auch in Hamburg entstanden während des Zweiten Weltkrieges zahlreiche Bunkerbauten, allerdings in erster Linie für Luftschutzwecke. Wer genauer hingesehen hat oder hinsieht, wird bemerken, dass die Hamburger Bunker nicht unbedingt beton- oder schmutziggrau sind, sondern einen braunroten oder gar schwarzen Farbanstrich aufweisen und manchmal auch noch rechteckige Formen oder angedeutete Fenster erkennbar sind – Reste der Tarnbemalung.
Dieser Bericht soll die entsprechende Erklärung dafür aufzeigen und verdeutlichen, welchen kaum vorhersehbaren und dramatischen Verlauf der Luftkrieg nahm. Diese Darstellung erfolgt unter besonderer Berücksichtigung des Hamburger Stadtgebietes, wobei die Kernaussagen aber auf andere Städte übertragbar sind. Dieser Bericht war 1991 in seiner Ursprungsfassung in den „IBA-Informationen“ Heft Nr. 17 erschienen und wurde für die Hamburger Unterwelten vom Verfasser und unserem Vereinsmitglied Oliver Wleklinski redigiert und erweitert. Im Herbst 1939 standen in Hamburg für 1.678.500 Einwohner lediglich 10.000 Plätze in ausgebauten Luftschutz-Kellern zur Verfügung. Zunächst lediglich an wichtigen Verkehrs-Knotenpunkten, dann aufgrund eines Führererlasses verstärkt ab Oktober 1940 wurden in Hamburger Stadtteilen mit einem hohen Anteil an Wohnbebauung bombensichere Luftschutzbauten für die Bevölkerung, in Hamburg auch „Luftschutzhäuser“ (LS-Häuser - nichts anderes als große Hochbunker), genannt, errichtet. Sie entstanden in aller Regel in Baulücken, um kurze Wege im Alarmfall sicherzustellen und um eine harmonische Anpassung an die Umgebung, etwa durch Verklinkerung, nach Kriegsende zu ermöglichen. Am 16.06.1945 wurden schließlich 157 bombensichere LS-Bunker erfasst, insgesamt standen 1.051 Schutzbauwerke aller Art für die Bevölkerung zur Verfügung. Trotz der Einfügung der LS-Häuser in das Häusermeer einer Großstadt war das „Amt für kriegswichtigen Einsatz“ A.K.E. in der Bauverwaltung der Hansestadt Hamburg im August 1941 der Auffassung, dass die LS-Häuser alsbald nach ihrer betonfertigen Herstellung zu tarnen wären. Ziel sollte sein, die LS-Häuser durch Unkenntlichmachung ihrer Form zwischen den Häusern verschwinden zu lassen. Aber schon zwei Monate zuvor im Juni 1941 hatte Oberbaurat Fouquet vom A.k.E. angeordnet, die Bunkerbaustellen besser zu tarnen. Fouquet hatte damit offensichtlich eine Anweisung Görings aufgegriffen, der bereits im Februar 1941 verfügt hatte, bei allen Gebäuden – auch bei „normalen“ Wohnhäusern – helle Außenflächen zu vermeiden. Damit sollte die Erkennbarkeit von Baulichkeiten und Ortschaften bei Nacht erschwert werden, da zu diesem Zeitpunkt die britischen Bomber noch keine elektronischen Zielfindungs- bzw. Zielerkennnungsgeräte besaßen und die deren Besatzungen auf optische Wahrnehmungen angewiesen waren. Daher durfte bei Neu-, Um-, Erweiterungsbauten und Hausinstandsetzungen kein heller Außenputz bzw. keine helle Wandfarbe mehr verwendet werden. Die Bauten waren nunmehr dunkel zu streichen und der Umgebung anzupassen. Dieses galt für in Bau befindliche bzw. frisch betonierte LS-Bunker natürlich ganz besonders. Denn die hellen Schalhölzer bzw. der frische, aushärtende Beton strahlten geradezu in der Dunkelheit und konnten gut aus der Luft erkannt werden. Daher sollten die Schalungen und Bauplanken mit Tarnfarben bespritzt werden. Bei frisch betonierten Bunkerdecken war eine Abdeckung mit Schilfmatten o.ä. vorzusehen, da die auf dem frischen Beton stehenden Wasserpfützen spiegeln konnten. Nach der Aufforderung Fouquets wurden an dem LS-Bunker in der Barnerstraße in Hamburg-Altona mit Hilfe der Hamburger Malerinnung Versuche für eine Tarnbemalung durchgeführt. Die Versuche zeigten, dass eine ornamentale Tarnflächenbemalung den gewünschten Zweck nicht erfüllte, da die Masse des Bauwerkes nicht aufgelöst wurde. Eine großflächige geometrische Bemalung brachte aber eine zufriedenstellende Auflösung der Bauform. Leider ist der Tarnanstrich an dem noch existierenden Bunker (im Zuge des Kalten Krieges wiederhergestellt zum öffentlichen Schutzraum Barnerstraße 14) nicht mehr zu erkennen, weil ein Neuanstrich und Reklametafeln die alten Farbschichten überdecken. Auch an anderen Hamburger Hochbunkern wurde sodann der großflächige geometrische Tarnanstrich aufgebracht. Dieser ist auf den hier gezeigten Fotos vom Bunker Holstenstraße früher Nr. 79, heute Nr. 75 a schön zu erkennen. Nach den Tarnversuchen wurden dafür vom A.K.E. folgende Grundsätze aufgestellt: - Jede Tarnung eines Bauwerkes muss in Anlehnung an die nähere Umgebung erfolgen und zwar sowohl in Bezug auf die geometrische Aufteilung, als auch auf die Farbgebung.
- Luftschutz-Häuser, die in einer Umgebung mit stark vertikaler Tendenz stehen, erhalten vorwiegend senkrechte Aufteilungsflächen. An Orten, wo die Horizontale überwiegt, sind für die Tarnung mehr horizontale Aufteilungsflächen zu verwenden. Bei unausgesprochener Aufgliederung der Umgebung ist es zweckmäßig, eine Flächenaufteilung in kleineren Abmessungen zu wählen.
- In einer Umgebung mit Baumbeständen kann auch einmal zu rundlichen Flächenbemalungen in Anlehnung an die Baumformen gegriffen werden.
- Das, was für die Aufteilung der Flächen gilt, gilt gleichermaßen auch für die Farbgebung. In einer Umgebung mit roten Backsteinhäusern wird man eine ziegelrote Farbe überwiegen lassen; in Baumbeständen grau, grün usw.
- Als zweckmäßig hat es sich erwiesen, an den Ecken des Gebäudes grau-schwarze Flächen anzuwenden, um so besser in die im Eigenschatten liegenden Flächen überzuleiten.
- Als Anstrichmittel sollen nur getönte Zementschlemme (Erdfarben) in Frage kommen, da bei allen anderen damaligen Anstrichen die später anzubringende Verkleidung bzw. Verklinkerung ausgeschlossen gewesen wäre. Daher nahm man die begrenzte Haltbarkeit der Zementschlämme in Kauf, da noch mit einem baldigen Ende des Krieges gerechnet wurde.
Da diese Art der Tarnung also in hohem Maße standortgebunden war, sollte der Entwurf für die Bauwerkstarnung nur geübten Spezialisten überlassen werden. Von jedem LS-Haus sollten Tarnskizzen angefertigt werden, die genauestens bei etwaigen Tarnarbeiten zu beachten gewesen wären. Im November 1943 wiederholte und konkretisierte Göring seine o.g. Verfügung. Aufgrund der Feststellung, dass bei Baustellen aller Art unzureichende Tarnmaßnahmen ergriffen wurden, wurde erneut auf die Tarnung von entstehenden hellen Flächen hingewiesen. Helle Fläche oder Wege waren sofort mit dunklem Mutterboden, Schlacke o.ä. abzudecken, Bereiche, wo noch gearbeitet wurde, waren nachts behelfsmäßig mit Tarnmatten oder –netzen zu überdecken. Der zusätzliche Arbeitsaufwand war in Kauf nehmen. Diese Verfügung wurde bemerkenswerterweise noch zu einem Zeitpunkt erlassen, als die Nachtangriffe schon lange mit elektronischen Mitteln, z.B. dem H2S Zielfindungs- und Navigationssystem, geführt wurden. Auch war schon lange erkennbar, dass die schweren britischen Bomber keine Einzelziele angegriffen, sondern mit hunderten von Flugzeugen Flächenziele wie Industrieanlagen oder Wohngebiete treffen wollten. Vor diesem Hintergrund war eine Tarnung einzelner LS-Bunker schon längs überflüssig. Dennoch wurden die Bunker weiter getarnt. Die auf Freiflächen errichteten Flaktürme erhielten nach deren Betonierung in Hamburg einen schwarzen und in Berlin einen dunkelgrünen Anstrich, um die großen, hellen Klötze besser zu verbergen. Am Geschützturm Heiligengeistfeld war dieser Anstrich noch bis zur Generalinstandsetzung vor wenigen Jahren zu sehen, am zweiten Flakturm in Wilhelmsburg sieht man bis heute den mattschwarzen Anstrich. In Wohngebieten sieht man an diversen Hochbunkern heute ebenfalls noch gut den braunroten Farbanstrich. Wenn man genau hinsieht, sind meistens auch noch symmetrisch angeordnete dunkle Rechtecke erkennbar. Hier wurden zusätzlich Fenster imitiert, um den Hauscharakter bzw. den Eindruck einer Brandruine noch zu verstärken. Schöne Beispiele dafür sind der LS-Bunker Döhnerstraße/Dobbelersweg oder der hier gezeigte Bunker An der Apostelkirche. Bedauerlicherweise konnte noch nicht geklärt, wann und warum von dem ursprünglichen Tarnschema zu der Imitation von Häusern bzw. Ruinen gewechselt wurde. In anderen Städten, z.B. in Bremen, sollte ein solcher „Hauseindruck“ mit Hilfe von „falschen“ Dächern als besondere Art der Tarnung erzielt werden. Der Hochbunker „Bei der Christuskirche“ wurde in Hamburg als einziger Bunker mit einem Walmdach gebaut. Es ist allerdings nicht geklärt, ob damit Tarnzwecke verfolgt wurden. Da auf zahlreichen Entwurfszeichnungen und Fassadenplänen von Hamburger Hochbunkern solche Dächer erkennbar sind und diese Pläne auch noch die geplanten „Verschönerungen“ in Form von Verklinkerung oder sonstiger Fassadendekoration zeigen, spricht einiges dafür, dass die Dächer im Hamburg vorrangig eine zierende Funktion gehabt hätten bzw. aufgrund der Ausführung des Daches eine unmittelbar schützende. Am bekanntesten ist sicherlich die Tarnung von einigen Hochbunkern, die mit Hilfe eines Turmes den Eindruck einer Kirche erwecken sollten. Aber eine derartige Tarnung ist für den Hamburger Raum nicht nachgewiesen. Schlussfolgerung: Die im Nachhinein naive Absicht, einzelne Bunker durch Tarnung Luftangriffen entziehen zu wollen, macht die Tragik des Luftkrieges deutlich: 1939 waren keine tage- und nächtelangen Angriffe mit bis zu 1.000 Bombern und den daraus resultierenden Folgen (u.a. Feuerstürme) denkbar, denen man später machtlos gegenüberstand. Ferner glaubte man in Berlin, dass auch nur wichtige Einzelziele die Masse der Angriffe abbekommen würden. Es wurde noch lange Zeit verkannt, dass die britische Luftwaffe weder die Möglichkeit hatte, nachts kleine Ziele zu treffen, noch das deren Taktik des „moral bombing“ gar nicht darauf ausgerichtet war, solche Objekte anzugreifen. |